AnalyseSES erwirbt Intelsat: Mit neuer Größe gegen die wachsende Konkurrenz

Analyse / SES erwirbt Intelsat: Mit neuer Größe gegen die wachsende Konkurrenz
Der Hauptsitz des Satellitenbetreibers SES in Betzdorf  Foto: SES

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Nach einem schwierigen Jahrzehnt für traditionelle Satellitenbetreiber hat die Luxemburger SES am Dienstag einen großen, lange diskutierten Schritt angekündigt. Die SES wird einen ihrer langjährigen Wettbewerber, Intelsat, kaufen. Zusammen sieht man sich als besser aufgestellt, um die Herausforderungen in dem sich schnell verändernden Sektor anzugehen.

Es hat lange gedauert. Bereits vor mehr als einem Jahr, im März 2023, hatte der Luxemburger Satellitenbetreiber aus Betzdorf angekündigt, in Gesprächen mit seinem Konkurrenten in den USA über eine mögliche Fusion zu sein. Dazu war es damals jedoch nicht gekommen – erst jetzt, mehr als ein Jahr später.

Hintergrund der milliardenschweren Transaktion sind die Veränderungen, die die Branche in den letzten zehn Jahren erlebt hat. Noch vor 20 Jahren waren Satelliten etwas wie Maschinen zum Gelddrucken: War die millionenschwere Investition erst mal gestemmt, und der Satellit erfolgreich im geostationären Orbit, dann konnte man die verfügbare Kapazität während Jahren vermarkten. Bis sich ein neuer Konkurrent in Stellung bringen konnte, dauerte Jahre. Auf diese Weise konnten die Pioniere der Branche, wie SES und Intelsat, während Jahren gutes Geld mit dem Aussenden von Videos verdienen.

Mit dem Aufkommen neuer Technologien (etwa von billigen Mini-Satelliten oder einer Glasfaserinfrastruktur) und neuen Konkurrenten (etwa Streaming-Anbieter) gerieten die traditionellen Geschäftsmodelle der Satellitenbetreiber unter Druck. Der Umsatz im Hauptgeschäftsbereich „Video“ begann immer weiter zu schrumpfen. Unternehmen wie die SES oder auch Intelsat suchten nach neuen Möglichkeiten zum Geldverdienen

Mit dem Ausstrahlen von Videos ist die SES groß geworden
Mit dem Ausstrahlen von Videos ist die SES groß geworden Foto: SES/Getty Images

Das Segment, den vor allem der Satellitenbetreiber aus Betzdorf nun jahrelang ausgebaut hat, ist das Anbieten von Konnektivität, von Lösungen für Regierungen, Unternehmen und Haushalte. Dazu zählen Bereiche wie Mobilität, Internetzugang in Flugzeugen und Kreuzfahrtschiffen und Fixed Data.

Um sich in den neuen Bereichen zu etablieren, wurden nach und nach Unternehmen gekauft, die auf alternative Technologien zu den traditionellen Kommunikationssatelliten gesetzt hatten, etwa 2016 die von Google mitgegründete Gesellschaft O3B, die sich zum Ziel gesetzt hatte, den noch nicht mit dem Internet verbundenen drei Milliarden Menschen einen Zugang anzubieten im Jahr 2016.

Um im Bereich der Regierungsdienstleistungen weiter schnell auszubauen, hat der Betzdorfer Satellitenbetreiber unter anderem im März 2022 die Übernahme der in den USA beheimateten Gesellschaft DRS Global Enterprise Solutions (GES) getätigt. 450 Millionen Dollar legten die Luxemburger für diese Übernahme auf den Tisch. Das gekaufte Unternehmen bietet seit über 20 Jahren maßgeschneiderte Satellitenkommunikationslösungen für Land-, See- und Luftoperationen der US-Regierung, so die SES damals. Das Unternehmen sei ein führender Anbieter von Regierungsdienstleistungen mit langjährigen Beziehungen zu vielen wichtigen Behörden sowie mit Fachwissen bei der Bereitstellung integrierter satellitengestützter und terrestrischer Lösungen, insbesondere in den Bereichen Unternehmens-IT-Management und Cybersicherheit.

Zukäufe und neue Technologien

Gleichzeitig mit den Übernahmen wurde auch auf ganz neue Projekte, neue Technik gesetzt. Beispielsweise wurde mit Boeing eine neue Generation von O3B-Satelliten entwickelt, die dem Unternehmen in Zukunft Geld bringen sollen. Im Gegensatz zu den traditionellen SES-Satelliten sind dies keine geostationären (36.000 Kilometer über der Erde), sie werden ihren Dienst in der mittleren Erdumlaufbahn, rund 8.000 km über der Erdoberfläche, leisten. Auch am Luxemburger Militärsatellit GovSat, der gesicherte Kommunikation anbietet, ist die SES beteiligt.

O3b-mPower-Satelliten werden in den Weltraum befördert
O3b-mPower-Satelliten werden in den Weltraum befördert Foto: SES

In diesem Zusammenhang ist auch die nun am Dienstag angekündigte vollständige Übernahme des amerikanischen Rivalen Intelsat für 3,1 Milliarden Dollar (2,8 Milliarden Euro) zu sehen. „Durch den Zusammenschluss entsteht ein stärkerer Multi-Orbit-Betreiber mit größerer Abdeckung, verbesserter Ausfallsicherheit, einem erweiterten Lösungsangebot, verbesserten Ressourcen für rentable Investitionen in Innovationen, dem gemeinsamen Fachwissen und der Erfolgsbilanz der beiden Unternehmen“, schreiben beide Unternehmen voller Zuversicht am Dienstag in einer Pressemeldung.

Kaufpreis von 3,1 Milliarden Dollar

Der Zusammenschluss werde einen größeren Wert für Kunden und Partner schaffen und eine überzeugende Alternative in der neuen Ära von Wachstum, Innovation und Wettbewerb in der Satellitenkommunikationsbranche darstellen, so die beiden Unternehmen. Der Zusammenschluss bringe neben komplementären Investitionen in Raumfahrt-, Boden- und Netzwerken eine Fülle von Talenten, Fachkenntnissen, technischem Wissen und Vermarktungsfähigkeiten zusammen.

In einer schnelllebigen und wettbewerbsintensiven Satellitenkommunikationsbranche stärke „diese wichtige, transformative Vereinbarung unser Geschäft, verbessert unsere Fähigkeit, erstklassige Kundenlösungen zu liefern, und generiert erheblichen Wert für unsere Aktionäre“, so Adel Al-Saleh, Geschäftsführer von SES. „Ich freue mich über die Möglichkeit, unsere beiden Unternehmen zusammenzuführen und die Wissensbasis von SES mit der zusätzlichen Erfahrung, Expertise und Kundenorientierung der Intelsat-Kollegen zu erweitern.“

 
  Foto: SES

„Indem wir unsere finanzielle Stärke und unser Weltklasse-Team mit dem von SES kombinieren, schaffen wir einen wettbewerbsfähigeren, wachstumsorientierten Lösungsanbieter in einer Branche, die sich in einem Umbruch befindet“, wird David Wajsgras, Geschäftsführer von Intelsat, zitiert. „Das kombinierte Unternehmen wird in der Lage sein, Kundenbedürfnisse auf der ganzen Welt zu erfüllen und ihre Erwartungen zu übertreffen.“

Für die SES geht es um viel Geld: Die Luxemburger Unternehmensgruppe hatte seinen Umsatz im Jahr 2023 von 1,9 auf über zwei Milliarden Euro leicht steigen können und einen (bereinigten) Nettogewinn von 215 Millionen Euro (Vorjahr: 300 Millionen) erwirtschaftet. Die Transaktion wird finanziert aus bestehenden liquiden Mitteln und der Emission neuer Schulden.

Finanziell soll sich die Übernahme jedoch schnell lohnen, ist der Meldung weiter zu entnehmen. Insgesamt rechnet man mit „Synergien“ (Einsparungen durch Zusammenlegen) in Höhe von 2,4 Milliarden Euro. Gute 70 Prozent davon sollen innerhalb von nur drei Jahren nach Abschluss der Transaktion realisiert werden. Zudem soll der Umsatz im stark wachsenden Netzwerksegment so stärker wachsen.

Hauptsitz bleibt in Luxemburg

Es wird erwartet, dass die meisten Synergien aus der Kombination von Einsparungen in den Bereichen Vertrieb, Allgemeines und Verwaltung sowie aus der Optimierung der Kapazitätskosten für Dritte und künftigen Effizienzsteigerungen im Einkauf resultieren. Weitere Synergieeffekte sollen durch die Optimierung der kombinierten Satellitenflotten und der Bodeninfrastruktur erzielt werden.

 
  Foto: SES/U.S. Air Force/Kristine Legate

Die neue fusionierte SES wird weiterhin ihren Hauptsitz in Luxemburg haben, während sie gleichzeitig eine bedeutende Präsenz in den USA, insbesondere im Großraum Washington D.C., behalten wird. Die neue kombinierte Flotte wird mehr als 100 Satelliten in der geostationären Erdumlaufbahn und 26 Satelliten in der mittleren Erdumlaufbahn zählen.

Keine Freude an der Börse

Das neue gemeinsame Unternehmen hätte, zusammengerechnet, einen Umsatz von 3,8 Milliarden Euro und ein operativer Gewinn von 1,8 Milliarden Euro. Hinzu kommt ein Bestand an Aufträgen von rund neun Milliarden Euro. Die Segmente „Government, Mobility und Fixed Data“ mit ihrer wachsenden Nachfrage nach zuverlässigen, leistungsstarken Konnektivitätslösungen zu Lande, zu Wasser und in der Luft sollen dann rund 60 Prozent der gesamten Umsatzbasis von SES ausmachen.

Die Transaktion wurde von den Vorständen beider Unternehmen einstimmig genehmigt, die Zustimmung der Regulierungsbehörden steht noch aus. Gehofft wird auf einen Abschluss bis Mitte 2025.

An der Börse in Paris ist die Nachricht am Dienstag eher schlecht angekommen. Am späten Nachmittag lag der Kurs der SES-Aktie rund zehn Prozent im Minus bei 4,5 Euro pro Titel. Während der letzten zwölf Monate lag er im Schnitt bei rund sechs Euro pro Aktie.

Die beiden Unternehmen

Intelsat hat eine bewegte Geschichte hinter sich: Im Jahre 1964 wurde das heute private Unternehmen als zwischenstaatliche Betreiberorganisation von Kommunikationssatelliten gegründet. Anfangs waren zehn Länder am „International Telecommunications Satellite Consortium“ beteiligt. Zu ihnen zählten die USA, Frankreich, Japan, Deutschland und Großbritannien. Bis zur Privatisierung im Jahr 2001 war ihre Zahl auf über 150 angestiegen. Auch Luxemburg, China, die Sowjetunion und die DDR waren zwischendurch zu Mitgliedern der Organisation geworden. Intelsat I war dann auch der erste kommerzielle Nachrichtensatellit auf einer geostationären Umlaufbahn. Er wurde am 6. April 1965 in den Weltraum geschickt. Sein Spitzname lautete Early Bird (Der frühe Vogel).
Die letzten Jahre waren derweil sehr schwierige für das Unternehmen aus Washington, das seit rund zehn Jahren seinen Sitz nach Luxemburg-Kirchberg verlegt hatte. Im Mai 2020 musste es unter das US-Konkursregime (Chapter 11) gestellt werden. Eine umfassende Umstrukturierung musste eingeleitet werden, um die hohen Schulden abzutragen. Heute ist das Unternehmen, das über 50 geostationäre Satelliten wie auch großflächige Infrastruktur auf der Erde besitzt, wieder auf dem Weg der Besserung.
Die Luxemburger SES ist deutlich jünger. Sie wurde 1985 als „Société européenne des satellites“ gegründet. Bekannt geworden ist sie als Betreiber des Astra-Satellitensystems. Später wurden Unternehmen wie GE Americom, Asiasat und New Skies Satellites übernommen und mit eingebaut.
Um den ersten Satellitenstart zu finanzieren, mussten die Staatsfinanzen das Risiko abdecken: „Der Start des Satelliten Astra 1A im Dezember 1988 kostete damals rund 300 Millionen Luxemburger Franken“, so der langjährige SES-Geschäftsführer in einem früheren Gespräch mit dem Tageblatt. „Er konnte aber nicht ganz versichert werden. Per Gesetz hatte der Staat deshalb einer Staatsgarantie zugestimmt. Der Satellit war somit finanziert, aber wenn der Start fehlgeschlagen wäre, hätten bloß die Schulden der SES gedeckt werden können. Einen zweiten Start hätte es wohl nicht mehr gegeben.“ Im Vorfeld hatte die LSAP-Opposition das Projekt damals infrage gestellt. Sie bevorzugte ein alternatives Projekt mit Frankreich.
Zu den wichtigsten Aktionären des Unternehmens zählen auch heute noch der Luxemburger Staat, die staatlich Spuerkeess und die staatliche „Société nationale de crédit et d’investissement“. (cm)


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Lucilinburhuc
2. Mai 2024 - 20.26

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